Ein wahres Multitalent: Edelweiß Arzneipflanze des Jahres 2019

Eine beliebte, aber selten gewordene Pflanze kehrt heuer ins Licht der Aufmerksamkeit zurück. Denn zur Arzneipflanze des Jahres 2019 wurde von den Experten des Forschungsnetzwerks Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) das Edelweiß auserkoren. Tatsächlich wartet die Pflanze mit einer Vielzahl von Wirkstoffen auf, von denen sich die Forschung Anwendungsmöglichkeiten verspricht, die über den traditionellen Einsatz als Heilpflanze weit hinausgehen. Das Edelweiß im Porträt!

Seltene Arzneipflanze

Das Edelweiß (Leontopodium nivale ssp. alpinum) gehört zur großen, weltweit verbreiteten Pflanzenfamilie der Korbblütler (Asteraceae, früher Compositae) und kommt im Hochgebirge in Lagen zwischen 1.500 und 3.000 Metern Seehöhe vor. Obwohl das Edelweiß zu den streng geschützten Alpenpflanzen gehört, wird es aus Wildsammlung schon über Jahrhunderte als Arzneipflanze genutzt. "Aufgrund einiger erst in den letzten Jahren entdeckten Inhalts- bzw. Wirkstoffe finden sich Edelweiß-Extrakte heute vor allem in Kosmetika", erläutert em. o. Univ.-Prof. Dr. Chlodwig Franz, Vizepräsident der HMPPA, Abt. Funktionelle Pflanzenstoffe, Vetmeduni Wien.

Nachdem die Nachfrage nicht aus Wildsammlung gedeckt werden kann, hat man in den letzten zwei Jahrzehnten im Zuge eines Projekts zur Domestikation von Alpenpflanzen in der Schweiz auch Edelweiß in Kultur genommen. Auf der Grundlage von Biodiversitätsstudien wurde die Sorte Helvetia gezüchtet, die sich durch homogenen Wuchs und Wirkstoffgehalt, gleichzeitige Blüte und guten Ertrag auszeichnet. Der systematische, kleinflächige Anbau findet in der Südschweiz auf sonnigen Berglagen in 1.000 bis 1.500 m Seehöhe statt.

Heilsames Multitalent

Das Alpenedelweiß wird seit Jahrhunderten in der traditionellen Volksmedizin als Heilpflanze verwendet. "Extrakte aus verschiedenen Pflanzenteilen wurden zur Behandlung von Bauchschmerzen, Erkrankungen des Respirationstraktes, Herzkrankheiten, vor allem aber gegen Ruhr und Durchfall eingesetzt", betont Univ.-Prof. Dr. Hermann Stuppner, Präsident der HMPPA, Institut für Pharmazie/Pharmakognosie, Universität Innsbruck.

Insgesamt konnten bisher mehr als 60 Inhaltsstoffe aus den oberirdischen Anteilen bzw. den Wurzeln von Edelweiß isoliert und strukturell charakterisiert werden. Diese sind großteils den drei Substanzklassen Flavonoide, Kaffeesäurederivate und Terpene zuzuordnen. Extrakte und Einzelsubstanzen aus Edelweiß weisen ein breites Spektrum an pharmakologischen Aktivitäten auf das Herz-Kreislauf- und Nervensystem auf. Darüber hinaus konnten entzündungshemmende, antimikrobielle, antioxidative und chemoprotektive Wirkungen nachgewiesen werden.

Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten

Für die antioxidative und chemoprotektive Aktivität der Pflanze verantwortlich ist in erster Linie die Edelweißsäure, welche in den weißen Hochblättern ("Brakteen") in sehr großen Mengen (bis zu 10%) vorkommt. Als Wirkprinzip für die neuroprotektive Wirkung konnten Sesquiterpene vom Typ des Isocomens identifiziert werden.

"Zwei Verbindungen aus den Wurzeln des Edelweiß, Leoligin und 5-Methoxyleoligin, werden im Moment als sehr effektive und mächtige Wirkstoffe gehandelt", ergänzt Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. David Bernhard, Zentrum für medizinische Forschung der Medizinischen Fakultät, Johannes-Kepler-Universität Linz. Der Wirkstoff Leoligin schütze Gefäße vor Verkalkung (Arteriosklerose), senke Cholesterin und reduziere das Anschwellen des Blutzuckerspiegels nach Mahlzeiten. 5-Methoxyleoligin wird derzeit auf seine Eignung als Inhaltstoff einer "Spritze gegen Herzinfarkt" getestet. Diese Substanzen können inzwischen auch synthetisch hergestellt werden, so dass sie in großen Mengen zur Verfügung stehen.

 

Bildquelle: © Hermann Stuppner

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