Aus Alt mach Neu: Das Beispiel Belgien
Reparatur-Revolution
Nachdem wir uns im ersten Teil angeschaut haben, wie die Österreicher alte Haushaltsgroßgeräte vor der Verschrottung bewahren, blicken wir heute nach Belgien hinüber. Denn dort findet aktuell eine wahre Reparatur-Revolution statt, die bereits auf einem beachtlichen Level angelangt ist. Sehr emsig sammelt man dort landesweit Elektronikschrott, alte Fahrräder, nicht mehr gebrauchte Haushaltsgeräte und vieles mehr. Nur muss damit niemand wie in Deutschland oder Österreich zum nächsten Wertstoffhof fahren.
Mitarbeiter von „De Kringwinkel“ holen das alles direkt aus den Haushalten ab. Ein Anruf in einer der 140 Filialen genügt, um sofort einen Abholtermin zu vereinbaren. Auf der Haben-Seite der belgischen Recyclingspezialisten steht heute u. a.:
- Unterhaltung von 30 landesweiten Servicezentren
- Schaffung von 5.400 Arbeitsplätzen
- Einsammeln von jährlich 73.000 t Waren, von denen später mehr als die Hälfte durch neue Besitzer weiter genutzt werden können
- durch fachgerechte Reparatur und Wiederverwertung von Altgeräten und -Materialien Einsparung von 70.000 t CO2
Erfolgsquote
Auch wenn wir die Situation in Deutschland erst im nächsten Teil analysieren: Während die gemeinwirtschaftlichen Reparaturbetriebe sowie die Verkaufseinrichtungen in Belgien, Österreich, England und Frankreich auch von der Politik gefördert werden, ist man davon in Deutschland trotz des bereits 2013 verabschiedeten Kreislaufwirtschaftgesetzes noch weit entfernt. So wird „De Kringwinkel“ vom belgischen Staat immerhin mit 0,15 Cent pro Einwohner bezuschusst.
In Österreich erhalten die ReVital Partner 0,10 Cent an Subventionen. In Deutschland liegt dieser Förderbetrag dagegen bei bescheidenen 0,001 Cent, obwohl das Potenzial im Vergleich zu anderen Ländern riesig ist. Die aufbereitungswürdige Menge des Sperrmülls bzw. der Elektroaltgeräte bewegt sich bei 10 bzw. 5 Prozent vom Gesamtaufkommen, das auf den bundesweiten Halden, Schrottplätzen und kommunalen Recyclinghöfen „entsorgt“ wird. Erreicht ist gegenwärtig insgesamt nur 1 Prozent, währenddessen Kringwinkel allein beim Elektroschrott dafür sorgt, dass Belgien ganze 12 Prozent schafft.
Mitten im Leben
Das funktioniert vermutlich auch deshalb so gut, weil sich die modernen, schick designten Kringwinkel-Shops nicht in die Randzonen der verlassenen Gewerbegebiete zurückziehen, sondern offensiv und bürgernah inmitten der städtischen Fußgängerzonen etabliert sind. Somit lockt man nicht nur das sogenannte Prekariat, sondern sämtliche Bevölkerungsgruppen an. Zugleich hat man sich vom althergebrachten Trödelimage verabschiedet und sich einer hochwertigen Warenpräsentation bei gleichzeitig stärkerer Wahrnehmung als „Kultur der Reparatur“ zugewandt.
Flächendeckend vorhandene, kundenfreundliche sowie attraktive Ladengeschäfte, eine ebensolche Webseite zusammen mit einem angeschlossenen Online-Shop und neuerdings einem Auktionsportal ziehen in Belgien sämtliche Käuferschichten an. 80 Prozent der eingesammelten bzw. abgegebenen und (bei Notwendigkeit) fachmännisch reparierten Geräte finden somit wieder einen neuen Besitzer, kommen zu fairen Preisen inkl. Garantie wieder in Umlauf und sind ein wichtiger Faktor für nachhaltiges Wirtschaften.
Zum Stöbern geeignet
Darüber hinaus fanden mit dem neuen Trend auch solche Menschen eine sinnvolle und erfüllte Beschäftigung, die auf dem regulären Arbeitsmarkt nur sehr geringe Vermittlungschancen haben. 70 Prozent der Verkaufserlöse gehen an die Kringwinkel-Mitarbeiter, mit dem Resterlös aus den Umsätzen werden Gebäudemieten, Wartungsarbeiten an der Transporttechnik und die eigenen Innovationsobjekte finanziert.
Während schwergewichtige Artikel eher über das Angebot der Kringwinkel-Ladengeschäfte ihre neuen Besitzer finden, haben wir uns im Online-Shop etwas näher nach nützlichen Schätzen umgeschaut. Dabei konnten wir sogar einen relativ aktuellen LG Waschautomaten vom Typ DD147MWWB mit Einjahresgarantie zum Schnäppchenpreis von 185,- Euro entdecken. Dieser müsste nach dem Kauf allerdings selbst abgeholt werden. Noch mehr Informationen zu „De Kringwinkel“ liefert das Video „Re: Reparieren wird belohnt –Weiternutzen statt wegwerfen“, das noch bis einschließlich 23. Juli 2018 in der ARTE-Mediathek verfügbar ist.
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