Estricharten
Taufpate: das Bindemittel
Ähnlich wie bei den Putzarten leitet sich der spezifische Name der Estricharten vom jeweils zugrundeliegenden Bindemittel ab. Doch diese Bindemittel sind nicht nur namensgebend für den Baustoff, sie bestimmen auch das Leistungsspektrum des Materials und beantworten die Frage, für welche bauseitigen Anforderungen es geeignet ist. Die Familie der Estriche gliedert sich in eine Anzahl unterschiedlichster Typen auf:
Zementestrich (CT) |
Bindemittel: Zement, entsprechend der Güteklasse des Estrichs |
Calciumsulfatestrich (CA), auch unter dem Namen Anhydritestrich bekannt |
Bindemittel: Calciumsulfat (in der Natur im Mineral Anhydrit enthalten) |
Gussasphaltestrich (AS) |
Bindemittel: Bitumen, ein Nebenprodukt der Erdölproduktion |
Magnesiaestrich (MA), früher auch als Magnesitestrich oder „Steinholz“ bekannt |
Bindemittel: Magnesia (Magnesiumoxid), das bei der Verbrennung von Magnesium entsteht |
Kunstharzestrich (SR) |
Bindemittel: Epoxidharz, PUR, PMME |
Verarbeitungsfähigkeit: Zuschläge und Zusatzstoffe
Um einen verarbeitungsfähigen Baustoff zu erhalten, setzen die Hersteller den Bindemitteln Zuschläge zu. Diese sind je nach Rezeptur und Einsatzzweck Sand, Quarzsand und Splitt, bei Kunstharzestrich auch Korund. Die Korngrößen variieren zwischen 0/8 mm und 0/16 mm. Mit dem oft gebrauchten Begriff „Sieblinie“ wird das Verhältnis verschiedener Korngrößen innerhalb eines Produkts beschrieben.
Faustregel: Je dicker der Estrichaufbau, desto größer sollte der Anteil an Grobkörnung (in Richtung 16 mm ) sein. Als Zusatzstoffe spielen insbesondere Fließverbesserer eine Rolle.
Tipp: Der sogenannte Fließestrich (CT und CA) ist werkseitig so eingestellt, dass er sich auf der Baustelle nahezu selbst nivelliert (nur leichtes „Paddeln“ oder Abrütteln erforderlich). Dies ermöglicht einen bequemen und sicheren Einbau auch für Selbermacher, die über weniger Erfahrung in der Estrichverlegung verfügen.
Die Renner auf Baustellen: Zement- und Calciumsulfatestrich
Mit einem Anteil von über 90% sind Zementestrich und Calciumsulfatestrich im modernen Hausbau die gebräuchlichsten Estricharten. Der Hauptunterschied besteht grundsätzlich darin, dass Calciumsulfatestrich nur für den Innenbereich geeignet ist, Zementestrich aufgrund seiner Unempfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit und Wasser dagegen auch für Außen. Beide Materialien sind für alle gängigen späteren Bodenbeläge und für integrierte Heizsysteme (Fußbodenheizung) nutzbar. Im direkten Vergleich benötigt der Zementestrich eine etwas höhere Aufmerksamkeit in der Trocknungs- und Abbindephase. Hier muss für einen ausgeglichenen Feuchtigkeitshaushalt gesorgt werden, um gerade bei schwimmender Verlegung spätere Schäden (Risse, Aufschüsseln) zu vermeiden.
Die Trocknung und das Abbinden sind bei allen zementgebundenen Baustoffen getrennte Vorgänge. Um die gewünschte Endfestigkeit zu erreichen, benötigt der Zementestrich über die gesamte Aushärtungszeit ausreichend Wasser. Der preislich etwas teurere Calciumsulfatestrich punktet hier mit einem gutmütigeren Verhalten: Ihm reicht das Wasserangebot im Anmachwasser, um in deutlich kürzerer Zeit unter geringerem Schwund durch Kristallisierung auszuhärten. Nach etwa 14 Tagen – und damit zwei Wochen früher als bei Zementestrich – kann auf ihm bereits der endgültige Bodenbelag aufgebaut werden.
Tipp: Wer Zweifel hat, ob er für die Innenräume auf Zement oder Calciumsulfat setzten soll, kann sich insoweit entspannen, als es mit beiden Materialien bei sachgerechtem Einbau zu einem qualitativ hochwertigen Estrich kommt. Alle, für die der Zeitfaktor von Bedeutung ist, werden jedoch mit einem Calciumsulfatestrich früher im Ziel anlangen.
Exoten mit tollen Eigenschaften
Vornehmlich im Bereich von Industrieböden ist der Gussasphaltestrich anzutreffen. Im Bereich des privaten Hausbaus wird er dagegen – nicht zuletzt wegen seines höheren Preises – eher selten verbaut. Und das, obwohl er über einige unschlagbare Eigenschaften verfügt! Das Material wird heiß (250-300 Grad) aufgebracht und ist bereits nach wenigen Stunden (nach Auskühlung) voll belastbar.
Hinweis: Die verwendeten Dämmmaterialien und betroffenen Bauteile müssen bei Verwendung von Gussasphaltestrich hitzebeständig sein!
Aufgrund seiner homogenen Dichte ist der Gussasphalt besonders für den Einbau von Fußbodenheizungen geeignet. Seine besonderen Eigenschaften erlauben es, den Estrich „für sich“ stehen zu lassen und als eigentlichen Bodenbelag (nach Schliff der Oberfläche) zu nutzen. Das Bindemittel Bitumen lässt in diesem Zusammenhang die Beimischung von Farbpigmenten als wohnraumgestalterisches Element zu.
Von untergeordneter Bedeutung und meist nur in historischen Bauten oder bei deren Sanierung wird gelegentlich Magnesia- oder Magnesitestrich verwendet. Schon alleine das Anmischen geeigneter Rezepturen für das Material mit salzhaltigen Lösungen setzt besonderes Know-How und Erfahrung seitens der herstellenden Firmen voraus. Auf der Baustelle ist die Unverträglichkeit des Magnesiaestrichs mit anderen Bauteilen (insbesondere Metall) zu beachten. Vorteil dieses Estrichs ist, dass er direkt auf bestehende Holzböden/ Holzunterkonstruktionen verlegt werden kann.
Auch weil er mit Abstand der Teuerste im Bunde ist, wird Kunstharzestrich im privaten Bereich eher als Reparaturestrich zum Schließen von Rissen oder zur Instandsetzung beschädigter Altestriche verwendet. Durch die Kleinkörnigkeit seines Zuschlages gelingen mit diesem Baustoff – wo erforderlich – auch sehr dünne Schichtstärken. Die verwendeten Bindemittel erlauben den Aufbau von Böden, die auch chemischen Belastungen standhalten. Sie kommen so insbesondere im Bereich von Industriefußböden zur Anwendung. In der Regel ist eine abschließende Oberflächenversiegelung erforderlich, bevor der endgültige Bodenbelag aufgebracht wird.
Hinweis: Kunstharzestrich ist im Vergleich zu den anderen Estricharten problematisch zu recyclen. Bei einem späteren Abbruch muss er als Sondermüll behandelt und deklariert werden.
Keine Hieroglyphen: Klassifizierungen und Bezeichnungen
Auf den Datenblättern der Hersteller – oder direkt auf die Sackware aufgedruckt – finden sich Klassifizierungen, die Anhaltspunkte für die Belastbarkeit des fertigen Estrichs bieten.
Die wichtigsten sind:
- Druckfestigkeit in N/mm²: Kennbuchstabe C (C50 = 50 N/mm²)
- Biegezugfestigkeit in N/mm²: Kennbuchstabe F (z.B. F10)
- Oberflächenhärte in N/mm² : Kennbuchstabe SH
Eine typische Bezeichnung für einen Zementestrich wäre z.B. CT-C25-F4-V45, wobei das V45 für eine Verlegehöhe von 45 mm steht. Die Datenblätter geben darüber hinaus Aufschluss über Kriterien wie Abriebfestigkeit, Brandverhalten und andere Parameter.
Tipp: Ein Studium der Produktdatenblätter vor dem Kauf oder der Verlegung von Estrichmaterial ist immer empfehlenswert. Die Baustofftechnik entwickelt sich stetig weiter. Das, was vor einigen Jahren „Gesetz“ war, mag heute schon überholt wirken. Das volle Leistungsvolumen moderner Hochleistungsbaustoffe für sich zu nutzen, erfordert immer auch eine genaue Beachtung der Herstellervorgaben.
Für jedes Anforderungsprofil der passende Estrich
Kurz zusammengefasst, hier noch einmal die wichtigsten Estricharten im Überblick:
Bezeichnung |
Abk. |
Innen |
Außen |
Trocknung |
Besonderheiten |
Zementestrich |
CT |
+ |
+ |
ca. 30 Tg. |
Allrounder, feuchtigkeitsresistent |
Calciumsulfatestrich |
CA |
+ |
- |
8-12 Tg. |
Innenraumestrich, nässeempfindlich |
Gussasphaltestrich |
AS |
+ |
+ |
sofort |
einfärbbar, geschliffen als Bodenbelag geeignet |
Magnesiaestrich |
MA |
+ |
- |
14-21 Tg. |
historischer Baustoff, schwierig in der Handhabung |
Kunstharzestrich |
SR |
+ |
+* |
2-3 Tage |
typischer Reparatur- bzw. Industrieestrich |
*Oberflächenversiegelung erforderlich
Fazit
Inzwischen sollte zum Thema Estrich klar geworden sein, dass die konkrete Ausführung mit ein wenig Information über die Eigenheiten und Besonderheiten des Materials vollkommen ihren Schrecken verliert und auch von ambitionierten Selbermachern locker zu stemmen ist. Und liegt das vollendete Werk erst einmal perfekt, höhengenau und ohne Risse durchgetrocknet auf dem Bau, wird die Zeit bis zum Einzug bzw. zur Einweihungsparty überschaubar: Der Innenausbau mit Fußbodenverlegung und Wandbelägen kann beginnen!
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Kommentare
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Hallo Herr Steiner, am besten gelingt das mit sogenannten Betonversiegelungen. Unsere bisherien Partner haben solche aber nur für den Innenbereich. Es gibt aber genügend andere Hersteller, die auch Produkte für den Außenbereich anbieten. Ich hoffe Die Info hilft Ihnen bei der Suche.
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